17.7.2024
Artikel
Die Korruptionsbekämpfung wird mit dem neuen § 108f StGB im Hinblick auf Mandatsträger verschärft. Strafbar ist jetzt auch eine unzulässige Interessenwahrnehmung "während des Mandats". Dies erfasst eine entsprechende Interessenwahrnehmung außerhalb des Parlaments. Für Mandatsträger ändern sich die Verhaltensanforderungen nicht. Die Verbote nach dem Abgeordnetengesetz werden durch die neue Strafvorschrift nun unter Strafe gestellt. Für Lobbyisten/Interessenvertreter werden neue strafbewehrte Verbote begründet.
In Deutschland sind laut einer statista Erhebung etwa 1,2 Mio. Bürger parteipolitisch organisiert. Zur Bundestagswahl 2021 kandidierten 6.211 Wahlbewerber. Vergeben wurden 736 Mandate. Wer sich durchsetzt und gewählt ist, hat Verantwortung, Gestaltungsmacht und unter Umständen privilegierten Zugang zu relevanten Stellen wie Ministerien etc.
Den Parlamentariern stehen Personen und Institutionen mit Gestaltungsansprüchen gegenüber. Allein beim Deutschen Bundestag sind über 25.500 Personen registriert, die die Interessenvertretung unmittelbar ausüben. Die Zahl der Interessenvertreter gibt eine Ahnung davon, wie engagiert der Kampf um die letzte Kommastelle in Gesetzesentwürfen geführt wird.
Dass die Expertise und Arbeit von professionellen Interessenvertretern für eine funktionsfähige Legislative nicht wegzudenken ist, braucht hier nicht weiter ausgeführt zu werden. Der neue § 108f StGB soll dazu beitragen, einen fehlgeleiteten "Einflusshandel" einzugrenzen.
Der nach wie vor geltende § 108e StGB stellt die Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern unter Strafe. Die Korruption muss sich hier auf ein Verhalten des Mandatsträgers "bei der Wahrnehmung seines Mandats" beziehen. Das betrifft nur Verhaltensweisen im Rahmen unmittelbarer Mandatstätigkeiten im Auftrag oder auf Weisung einer anderen Person zur eigenen Bereicherung des Mandatsträgers. Beispielsweise:
- Reden im Bundestag;
- Abstimmungsverhalten im Plenum,
- Verhalten bei Verhandlungen oder Abstimmungen im parlamentarischen Ausschuss,
- Verhalten bei Verhandlungen oder Abstimmungen in der Fraktion.
Wenn ein Mandatsträger z.B. gegen Entgelt „lediglich seine ‚Autorität‘ als Mandatsträger dafür einsetzt, Verwaltungsabläufe in seinem Wahlkreis zu beeinflussen“ war das bisher nicht unter Strafe gestellt (vgl. BT-Drs. 18/607, Seite 8).
Ebenso war das Verhalten von Parlamentariern nicht strafbar, die gegen Entgelt für Anbieter von Corona-Schutzmasken ihre Autorität und ihren Einfluss als Bundes- bzw. Landtagsabgeordnete einsetzten, um Bundes- und Landesbehörden zum Erwerb von Schutzmasken zu einem Nettokaufpreis von insgesamt über 60 Mio. EUR zu bewegen ("Maskenaffäre").
Der BGH konstatierte die fehlende Strafbarkeit, soweit es sich - wie im Fall der sog. Maskenaffäre - um eine rein außerparlamentarische Betätigung des Mandatsträgers handelt (BGH Beschl. v. 5.7.2022 – StB 7/22, BeckRS 2022, 16695 Rn. 69):
"Aus alledem folgt, dass nach dem in § 108e StGB zum Ausdruck kommenden objektivierten Willen des Gesetzgebers das Tatbestandsmerkmal „bei der Wahrnehmung seines Mandates“ nicht erfüllt ist, wenn der Abgeordnete bei außerparlamentarischen Betätigungen unter Berufung auf seinen Status im Interesse eines Privatunternehmers und ohne Vorgabe, im Auftrag des Parlaments zu handeln, Behördenentscheidungen zu beeinflussen versucht."
Die beschränkte Reichweite von § 108e StGB im Hinblick auf die Tätigkeit von Parlamentsabgeordneten wird nun durch § 108f StGB ergänzt. Der neuer Straftatbestand der unzulässigen Interessenwahrnehmung stellt den unzulässigen Einflusshandel durch Mandatsträger unter Strafe, auch wenn dieser abzielt auf eine Interessenwahrnehmung außerhalb der Mandatswahrnehmung.
Mit dem neuen Straftatbestand reagiert der Bundestag auf die zitierte Rechtsprechung im Nachgang der Maskenaffäre. Solche Fälle, also die entgeltliche Einflussnahme von Mandatsträgern auf Bundesministerien und sonstige Behörden, z.B. auf Grundlage besonderer Verbindungen und privilegierten Zugangs, soll explizit vom neuen Tatbestand erfasst sein.
Bei § 108f StGB handelt es sich um ein Korruptionsdelikt, dem eine dreiseitige Personenkonstellation zugrunde liegt:
Unter Strafe gestellt werden Zuwendungen an einen Mandatsträger, der die von dem Gewährenden erstrebte Handlung nicht selbst vornimmt, der aber Einfluss auf den Amtsträger in der zuständigen Verwaltung oder Behörde hat oder vorgibt zu haben. Die Zuwendung muss Gegenleistung dafür sein, dass der Vorteilsnehmer seinen Einfluss missbräuchlich zugunsten des Gewährenden geltend macht (BGH Beschl. v. 5.7.2022 – StB 7/22, BeckRS 2022, 16695 Rn. 60).
Der Strafrechtsausschuss der Bundesrechtsanwaltskammer hat in seiner Stellungnahme 23 (April 2024) auf den damit einhergehenden Vorfeldcharakter hingewiesen und die Konturenlosigkeit des Tatbestandes kritisiert:
"Bislang zeichnen sich alle deutschen Strafvorschriften gegen Korruption (§§ 331 ff., 299 ff., 108e StGB) durch eine zweiseitige Personen- und Unrechtsbeziehung aus. Denn stets ist eine direkte Beziehung zwischen dem Vorteilsgeber und dem Verhalten des Amts- oder Mandatsträgers erforderlich. Damit wird sichergestellt, dass der abstrakte Rechtsgüterschutz durch die Korruptionsdelikte [...] greifbar bleibt. Diese Greifbarkeit wird bei dem neuen § 108f StGB-E aufgelöst. Denn der Strafvorschrift liegt eine dreiseitige Personenkonstellation zugrunde. Kriminalisiert werden sollen schon Tätigkeiten von aktuellen Mandatsträgern, die außerhalb ihrer Mandatswahrnehmung im Umfeld zuständiger Amtsträger (oder anderer Mandatsträger) stehend behaupten oder bestätigen, gegen ungerechtfertigte Vermögensvorteile Einfluss auf die Entscheidungen der zuständigen Amtsträger zugunsten der Vorteilsgeber oder Dritter nehmen zu können."
Eine Strafbarkeit gemäß § 108f StGB setzt voraus, dass die entgeltliche Interessenwahrnehmung "die für die Rechtsstellung des Mandatsträgers maßgeblichen Vorschriften verletzen würde" (§ 108f Abs. 1 S. 2).
Damit ergibt sich auf Seite der Mandatsträger keine Neuerung auf Verhaltensnormebene. Ein Verstoß gegen die einschlägigen Vorschriften insbesondere des jeweils einschlägigen Abgeordnetengesetzes (Bundes-/Landesrecht) wird nun nur strafbewehrt.
Zugleich werden die Verhaltensnormen auf Nehmerseite mit Strafandrohung auch für spiegelbildliche Verhaltensweisen auf Geberseite verbindlich, indem gemäß § 108f Abs. 2 StGB bestraft wird, "wer einem in § 108 f Abs. 1 S. 2 StGB genannten Mandatsträger einen ungerechtfertigten Vermögensvorteil für diesen Mandatsträger oder einen Dritten als Gegenleistung dafür anbietet, verspricht oder gewährt, dass dieser Mandatsträger während seines Mandates zur Wahrnehmung von Interessen des Vorteilsgebers oder eines Dritten eine Handlung vornehme oder unterlasse".
Während für die Erfüllung des § 108e StGB jeder ungerechtfertigte Vorteil für den Mandatsträger oder einen Dritten als "Gegenleistung" in Betracht kommt, setzt § 108f StGB einen ungerechtfertigten Vermögensvorteil für den Mandatsträger oder einen Dritten als "Gegenleistung" voraus.
Insbesondere Mitglieder einer Volksvertretung einer kommunalen Gebietskörperschaft (Stadt- und Gemeinderäte) kommen - anders als beim Tatbestand des § 108e StGB - nicht als taugliche Täter des § 108f StGB auf Nehmerseite in Betacht.
Begründet wird das in den Gesetzesmaterialien mit deren verhältnismäßig geringen Einflussmöglichkeiten (BT-Drs. 20/10376, 8):
"Eine Erstreckung auf Bundesversammlung, Volksvertretungen kommunaler Gebietskörperschaften und in unmittelbarer und allgemeiner Wahl gewählte Gremien einer für ein Teilgebiet eines Landes oder einer kommunalen Gebietskörperschaft gebildeten Verwaltungseinheit (entsprechend § 108e Absatz 3 Nummer 1 bis 3 StGB) ist dem gegenüber nicht erforderlich, da dort die Einflussmöglichkeiten und das damit einhergehende Risiko deutlich geringer sein dürften. Auch Gesetzgebungsorgane ausländischer Staaten (vgl. § 108e Absatz 3 Nummer 6 StGB) sollen von der Vorschrift nicht erfasst werden."
Dies wurde in der Sachverständigenanhörung von der Richterin am Bundesgerichtshof Allgayer kritisch gesehen (vgl. auch ihre Stellungnahme, Bl. 9):
"Etwa dürften die Einflussmöglichkeiten des Oberbürgermeisters einer Großstadt durchaus so weit reichen, dass die abstrakte Gefahr korruptiven Verhaltens besteht."
Die Sachverständige im Gesetzgebungsverfahren Beckemper wies in der Sachverständigenanhörung darauf hin, dass unklar sei, ob das Verbot entgeltlicher Beratungstätigkeit, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Mandatsausübung steht, von § 108f StGB erfasst sein soll. Solche Beratungstätigkeiten sind gemäß § 44a Abs. 3 S. 1 AbgG verboten. Dass es sich bei einer solchen Beratungstätigkeit aber um eine "Interessenwahrnehmung" im Sinne des § 108f StGB handelt, lässt sich mit guten Gründen bezweifeln.
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Der neue § 108f StGB stellt nun den unzulässigen Einflusshandel durch Mandatsträger unter Strafe, auch wenn dieser auf eine Interessenwahrnehmung außerhalb der Mandatsarbeit im Parlament abzielt.
Für Abgeordnete, Fraktionen und Unternehmen stellt sich die Frage nach der Abgrenzung von zulässigen Nebentäigkeiten zur ggf. strafbaren Interessenwahrnehmung. Die bestehenden Compliance-Maßahmen sollen überprüft und angepasst werden.
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